Abenteuer Transalp 2022

(30.08.-04.09.2022)


Eine Transalp-Tour zu fahren, stand schon länger auf meiner To-Do-Liste und da meine Freunde Thomas und Stefan selbiges für dieses Jahr planten, war es naheliegend diese Tour gemeinsam zu absolvieren.

Es gibt mittlerweile unzählige, verschiedene MTB-Routen über die Alpen, unsere Wahl fiel aber auf die Ur-Variante, die 1990 erstmals von Andreas Heckmair gefahrene Route von Oberstdorf nach Riva del Garda. Ursprünglich als 7-Tages-Tour konzipiert, wollten wir uns aber nur 5 ½ Tage dafür Zeit nehmen und hatten somit die Anreise nach Oberstdorf für Dienstag und die Abreise von Riva del Garda mit Sonntag festgelegt.

Um 04:40 Uhr startete die 10-stündige Anreise mit dem Zug ab Leibnitz, welche uns vorab noch ein wenig Zeit zur Erholung verschaffte.


Tag 1:

Am Bahnhof in Oberstdorf angekommen, ging es nach kurzer Adjustierung auch gleich los und wir folgten bei strahlendem Sonnenschein der ersten Navi-Route, vorbei an der bekannten Skiflugschanze, hinein in das Rappenalptal. Nach ca. 600 Hm Anstieg in diesem Tal ging es weiter zum Schrofenpass, welcher im Netz vielfach als „Angstpassage“ beschrieben wird, da es bei der etwa 45 Minuten lang dauernden Tragepassage auf engen Pfaden an steil abfallenden Felswänden entlanggeht. Wir hatten aber das Glück, diese atemberaubende Kulisse bei besten Wetterbedingungen absolvieren zu können und konnten uns daher mehr auf die Landschaft als auf die tiefen Abgründe konzentrieren.

Weiter ging es dann über den Ort Warth und ein paar kleinere Anstiege bis zu unserem Tagesziel in Lech am Arlberg.

Aufgezeichnete Etappen-Daten: 1.329 Hm, 32 km

 


Tag 2:

Wie dem Wetterbericht bereits vorab zu entnehmen war, begrüßte uns der nächste Tag mit dicken Regenwolken. Zumindest eine Stunde lang konnten wir noch im Trockenen fahren, bevor der Regen einsetzte und wir uns erstmals unsere Regenbekleidung überstreifen mussten.

Den landschaftlich schönen Gegenden der Lech entlang ging es anschließend vom „Rauhen Joch“ ca. 850 Hm hinunter bis nach Dalaas – der nasse Untergrund machte die teils felsigen Abfahrten nicht unbedingt einfacher, aber es war doch in weiten Teilen fahrbar. Nach der Abfahrt ging es aber direkt wieder 600 Hm über Asphalt und Schotterwege hinauf auf den Kristbergsattel. Nach einer weiteren 800 Hm-Abfahrt haben wir uns, bei inzwischen nachgelassenem Niederschlag, im Gastgarten eines Lokals in Schruns niedergelassen und gleich mal die durchnässten Kleidungsstücke gegen trockene Wäsche getauscht. Bei heißem Tee und Pizza kehrte auch die Motivation langsam wieder zurück.

Der letzte Anstieg des Tages mit ca. 1.500 Hm zog sich dann bei wieder eingesetztem Regen größtenteils auf Asphalt, vorbei an dem schönen Bergdorf Gargellen, bis zum Beginn des Pfades auf das Schlappiner Joch. Hier mussten wir die Bikes ca. 400 Hm auf dem alten Saumpfad hinaufschieben bzw. tragen – der Regen war dabei nicht unbedingt hilfreich. Auf der Schweizer Seite des Schlappiner Jochs wurden wir dann aber mit einer 500 Hm-Abfahrt über gut präparierte Wege belohnt, bevor wir die letzten Kilometer bis zu unserer Unterkunft im Ort Klosters absolvierten. Die Highlights am Abend waren dann auf jeden Fall der heiße Tee und die heiße Dusche. 😉

Aufgezeichnete Etappen-Daten: 2.637 Hm, 73 km


Tag 3:

Die Feuchtigkeit des Vortages war nicht nur in unseren Schuhen und an der nicht ganz getrockneten Kleidung noch bemerkbar, sie schlug sich auch in teils dichtem Nebel nieder, welcher uns die ersten Kilometer und Höhenmeter hinauf bis zum Davoser See begleitete. Beim Blick auf den Kurort Davos ließen sich dann aber die ersten Sonnenstrahlen des Tages blicken und wir durften (zurecht) auf gutes Bike-Wetter hoffen.

Weiter ging es über landschaftlich beeindruckende, Schweizer Hochebenen ca. 400 Hm hinauf auf den in ca. 2.000 Hm gelegenen Dürrboden, wo wir im Gastgarten des gleichnamigen Berggasthauses auch gleich mal die Sonnenstrahlen aufsaugten und uns mit Kaffee und Kuchen eine kleine Stärkung gönnten. Bis dahin hätten wir eigentlich auch den Bus nehmen können, ist der Weg dorthin doch tatsächlich touristisch inkl. einer Bushaltestelle voll erschlossen.

Für den weiteren Anstieg auf den in ca. 2.600 Meter Höhe gelegenen Scalettapass wurde es nun technisch aber anspruchsvoller – konnte man den mit bis zu 30% Steigung steilen Weg auf den ersten 2-3 Kilometern noch halbwegs gut bewältigen, so forderten die Steigung und der felsige Untergrund ihren Tribut und es war wieder mal Schieben angesagt. Man hätte mit frischen Beinen und ohne Gepäck am Rücken sicher noch etwas mehr fahren können, aber so überließen wir das dann doch einigen E-Mountainbikern, welche sich im Gegensatz zu uns optisch spielerisch auf den Berg schraubten.

Nachdem wir, auf dem Pass angekommen, noch den Gegenverkehr in Form einer Ziegenherde abwarten mussten, konnten wir auf dem flowigen Singletrail die Abfahrt hinab ins Val Susauna starten. Dieser Trail war sowohl vom Weg selbst als auch in Bezug auf die Landschaft eines der absoluten Highlights der gesamten Tour – 900 Hm purer Genuss bergab!

Doch der Tag war nach dieser Abfahrt noch lange nicht zu Ende, galt es doch noch einen weiteren Berg mit ca. 1.000 Hm Anstieg zu bewältigen. Im kleinen Schweizer Dorf S-chanf gönnten wir uns noch eine kleine Mittagspause mit Snacks aus dem Dorf-Supermarkt, bevor wir den Anstieg auf den Pass Chaschauna (2.694 Hm) in Angriff nahmen. Beginnend mit schönen Forststraßen und Schotterwegen erreichten wir eine weitere, schöne Hochebene auf ca. 2.200 Meter Seehöhe. Die letzten 500 Hm bergauf waren wegetechnisch dann ein absoluter Traum, konnte man sich doch auf einem fein präparierten Wanderweg bei moderater Steigung (10-20%) über unzählige Serpentinen bis zum Berggrat hinaufschrauben. Anschließend ging es dann auf einem steilen, aber sehr gut gepflegten Schotterweg fast 800 Hm talwärts, wonach wir dann nur mehr die letzten Kilometer bis zum schönen Skisportort Livigno absolvieren mussten – wir sind nun in Italien!

Aufgezeichnete Etappen-Daten: 2.958 Hm, 69 km


Tag 4:

An Tag 4 stand die längste Etappe mit über 100 km bevor, aber dank strahlendem Sonnenschein gab es perfekte Voraussetzungen, um auch an diesem Tag nicht in Bedrängnis von zu früh einsetzender Dämmerung zu kommen.

Nach kurzer Einrollphase aus dem Tal hinaus gab es bereits die ersten 500 Hm Anstieg, mit teilweise bis zu 28% Steigung – aufgrund des gut befestigten Weges war das aber zum Aufwärmen an diesem Tag gut fahrbar. Nach der ersten Abfahrt über einen schönen Schotter-Trail ging es knapp unter 2.000 m Seehöhe gelegen, gute 10 km auf einer Hochebene flach dahin, wobei man an zwei riesigen, aneinanderliegenden Stauseen entlangfuhr. Über den Passo Torri di Fraele (welcher wohl ein Hotspot für Rennradfahrer ist), ging es dann über Serpentinenstraßen die ersten Kilometer auf Asphalt bergab. Nachdem das Navi dann aber plötzlich einmal scharf rechts abbiegen wollte, war klar, dass wir auf der weiteren Strecke nach unten den Asphalt verlassen und die direkte Linie wählen würden. Ein gut fahrbarer Trail, welcher die Straße mehrfach kreuzte, führte uns alsdann ins Tal in den Skisportort Bormio, wo wir in der Altstadt einen Stopp zum Mittagessen einlegten.

Gut gestärkt waren dann noch wenig anspruchsvolle 500 Hm zu bewältigen, bevor wir die letzte Steigung des Tages (900 Hm) auf den Passo di Gavia in Angriff nahmen. Nachdem wir die ersten 5 km mit unzähligen Rennradfahren auf Asphalt verbracht hatten, führte uns das Navi doch noch für ca. 3km weg von der Straße, damit wir das Fahren und Tragen im felsigen Gelände nicht verlernten.

Bei verschwindender Sonne und eisigem Wind waren wir dann doch froh, den Passo Gavia auf 2.652 m Seehöhe erklommen zu haben und ihn auch schnellstmöglich wieder verlassen zu können. Nach kurzer Asphalt-Abfahrt manövrierten wir auf einen weiteren Trail, welcher im Internet mit sehr gemischten Gefühlen beschrieben wird – den Gallo Trail. Anfänglich noch relativ gut fahrbar, ging der Trail nach dem ersten Drittel in Passagen über, auf denen man mit einem CC-Bike und ohne Enduro-Kenntnisse einfach fehl am Platz ist. Die Felsbrocken mit großen Stufen und tiefen Rinnen sind vielleicht für sehr versierte Enduro-Fahrer passierbar, für uns hieß es aber wieder mal Tragen und das nicht zu kurz (gute 1 ½ Stunden). Wir hätten den Nachmittag auch entspannter verbringen und einfach die Straße nehmen können, aber nachher ist man immer schlauer…

Nachdem der Trail endlich wieder in einem normalen Wanderweg gemündet war, ging es dann unspektakulär auf einer Strecke von 30 km ca. 1.000 Hm nur mehr bergab bis zu unserem Tagesziel, dem Ort Edolo.

Aufgezeichnete Etappen-Daten: 2.426 Hm, 104 km


Tag 5:

Laut Daten der Tourenplanung hatten wir nun endlich einen entspannten Tag mit nur knapp 60 km und 2.000 Hm vor uns. Wir sahen uns schon am frühen Nachmittag bei einem gemütlichen Bier und einer gepflegten Pizza sitzen – aber es kam ganz anders…

Die erste Enttäuschung begann schon mal damit, dass es direkt nach dem Frühstück zu regnen begann und wir uns abermals die Regenkleidung überwerfen mussten (wir waren uns schon sicher, dass wir sie auf dieser Tour nicht mehr benötigen würden).

Was solls – Regenmontur rauf und los geht’s. Nach einem gut 15 km langen, relativ flachen Streckenabschnitt, konnten wir uns nach dem ersten kleinen Anstieg im Gelände endlich wieder unserer Regenkleidung entledigen – man ist durch den Schweiß vermutlich sowieso gleich nass wie es durch den Regen der Fall gewesen wäre.

Auf Asphalt ging es die nächsten 10 km relativ locker bergauf und bei einem kurzen Stopp entschlossen wir uns noch für eine kleine Stärkung in einem winzigen Dorf-Cafe. Diese Entscheidung sollte sich noch als goldrichtig herausstellen, denn danach gab es lange keine Zivilisation mehr…

Was anschließend noch als kleine Trageübung auf einem harmlosen Wald-Wanderweg begann, entpuppte sich bald als ziemliche Folter. Der Weg wurde immer steiler und schroffer, und nach Überschreitung der Baumgrenze bestand der schmale Weg nur mehr aus großen Felsbrocken. Wie wir dann im Laufe unserer Bergwanderung feststellten, handelte es sich um einen Trampelpfad aus dem 1. Weltkrieg, wovon auch noch einige alte Ruinen von Stellungen zeugten. Bei schönem Wetter, ohne zu tragende Bikes und Gepäck und mit vernünftigen Bergschuhen wäre es ja vielleicht eine ganz nette Wanderroute mit historischem Hintergrund gewesen, aber nach erneut einsetzendem Regen war auch die letzte Idylle dieser grundsätzlich schönen Landschaft verpufft.

Letztendlich mussten wir unsere Bikes 1.200 Hm auf den Passo di Campo schieben und tragen – es gab zwar eine kleine Hoffnung, dass die andere Seite des Berges wenigstens bergab fahrbar ist, jedoch blieben unsere Bikes leider auch die ersten 400 Hm hinunter bis auf ein paar ganz kurze Passagen weiterhin arbeitslos. Nach über 5 ½ Stunden Schiebe-/Tragepassage, unzähligen Flüchen und blauen Flecken in den Waden (von den Pedalen beim über die Felsen heben) bekamen wir endlich wieder Menschen und eine Straße zu Gesicht. Die Routenführung über diesen Streckenabschnitt lässt sich wohl nur damit erklären, dass Andreas Heckmair neben Mountainbiker auch staatlich geprüfter Bergführer war. 😉

Knapp 25 km und 1.200 Hm ging es dann auf Asphalt zum Glück nur mehr bergab. Die vom Boden aufspritzende Gischt war dann nicht mehr der Rede wert – wir hatten es überstanden und unser Tagesziel im kleinen Ort Daone erreicht!

Aufgezeichnete Etappen-Daten: 2.287 Hm, 59 km


Tag 6 – Finale:

Der letzte Tag begrüßte uns mit Sonnenschein und diesmal waren wir nicht nur zuversichtlich, dass das Wetter bis zum Ziel so blieb, es war tatsächlich so – unsere Radschuhe durften also ein letztes Mal während der Fahrt trocknen.

Auf schönen Radwegen und kleinen Straßen ging es knapp 18 km lang leicht bergab und wir passierten dabei einige kleinere Ortschaften. Nach den darauffolgenden, ersten 350 Höhenmetern auf Asphalt gelangten wir zur Abzweigung, an der man entweder Richtung Legro-See weiterfährt, oder wie in unserem Fall auf den Tremalzo steuert. Bis auf den Passo Tremalzo führt dann eine Asphaltstraße, welche man sich großteils nur mit anderen Mountainbikern (meist mit E) und Rennradfahren teilt – aufgrund des Straßenendes am Passo Tremalzo ist zum Glück sehr wenig KFZ-Verkehr unterwegs. Nach einer kurzen Stärkung im Tremalzo-Ristorante wurden noch die letzten 100 Hm auf Schotterpiste bis zum höchsten Punkt am Portal des Tunnels Corno della Marogna zurückgelegt, von wo aus es zur finalen Abfahrt Richtung Gardasee ging. Der Tremalzopass, welcher im ersten Weltkrieg angelegt wurde, ist bergab ein absoluter Traum und führt an herrlichen Aussichtspunkten vorbei, welche erste Blicke auf den Gardasee ermöglichen. Neben ein paar kleineren Anstiegen im unteren Bereich der Abfahrt, geht es grundsätzlich fast 1.800 Hm bei traumhaftem Panorama auf steilen Schotterpisten und durch kleine Tunnel ins Tal, bis der Gardasee zum Greifen nahekommt.

Diese letzte Abfahrt hat wirklich viele Strapazen der vorangegangenen Tage wettgemacht und nach finaler Ankunft am See durfte natürlich auch der Sprung ins kühle Nass nicht fehlen.

Nach einer letzten Pizza in dieser Woche wurden wir dankenswerterweise von unserem Freund Didi in Riva abgeholt und traten eine entspannte Heimreise im Auto an.

Eine sehr schöne Tour mit eindrucksvollen Landschaften und Eindrücken ging zum Glück ohne technische Defekte und Verletzungen zu Ende!

Aufgezeichnete Etappen-Daten: 1.869 Hm, 67 km

Aufgezeichnete Gesamt-Daten: 13.506 Hm, 404 km

(Roland Hirschmann)

Cross Country